James Faller: Wissenschaft auf dem Mond

Faller Quelle: Special Collections and Archives, University of Colorado Boulder Libraries
James Faller - mit einem Quarzglasprisma

Viele von uns können sich noch gut daran erinnern, wie Präsident Kennedy die Nation dazu aufforderte, „sich dem Ziel zu verschreiben, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und ihn wieder sicher zurück zur Erde zu bringen.“ Aber sein inspirierender Appell an die beiden Kammern des US-Kongresses am 25. Mai 1961 war noch umfassender und ambitionierter:

Kennedy war der Überzeugung, das von ihm ausgerufene Mondlandeprogramm sei eine Gelegenheit Wissenschaft und Forschung beispielsweise für die Erweiterung und Verbesserung der Satellitentechnik für die Telekommunikation und weltweite Wetterbeobachtung.

Das Apollo-Programm würde die Chance bieten, die Geologie des Mondes zu erforschen. Parallel zum Wettbewerb unter den Astronauten um die begehrten Plätze in der ersten Mondlandemission entbrannte auch in wissenschaftlichen Kreisen ein ähnlicher Wettstreit: Welche wissenschaftlichen Experimente würden zuerst auf dem Mond durchgeführt werden?

Die Antwort auf die Frage aller Fragen: Wie weit ist es bis zum Mond?

Ein mögliches Experiment ergab sich aus dem langjährigen Interesse der Astronomie: die genaue Entfernung zwischen Erde und Mond. Diese Frage hatten sich Wissenschaftler bereits seit Jahrhunderten gestellt, und selbst in der von Isaac Newton 1687 veröffentlichten Gravitationstheorie spielte sie eine bedeutende Rolle.

Jetzt, fast 275 Jahre später, als Apollo konkret wurde, würde sich die Möglichkeit ergeben, diese Frage der Fragen endgültig und präzise zu beantworten. Für ein Experiment zur Bestimmung des Abstandes zwischen Mond und Erde würde aus dem Mond kurzerhand ein „Satellit“, und mit der passenden Technologie könnten Mond und Erde „miteinander sprechen“.

Entwicklung des „Lunar Laser Ranging“-Experiments

Ende der Fünfzigerjahre war Dr. James Faller Student an der Universität Princeton. Er gehörte einer Forschungsgruppe unter Leitung von Professor Robert Henry Dicke an, einem amerikanischen Physiker, der die Astrophysik, Atomphysik, Kosmologie und Schwerkraftforschung um wichtige Beiträge bereichert hatte. Die Studenten und Wissenschaftler untersuchten den Einsatz von künstlichen Erdsatelliten für die präzise Verfolgung des Sternenfelds.

Als ein Ergebnis dieser Diskussionen entwickelte Dr. Faller das Konzept eines Mond-Laser-Experiments, das auf dem Mond aufgebaut werden konnte. In seinem Paper, „A Proposed Lunar Package: A Corner Reflector on the Moon“ skizzierte er die Idee eines robusten und dennoch leichten Reflektors von einem bis anderthalb Kilo Gewicht vor, der auf der Mondoberfläche aufgestellt werden würde. Ein von der Erde ausgehender Laserstrahl würde dann auf diesen Reflektor gerichtet; das Instrument würde das Licht zur Erde reflektieren. Die dafür benötigte Zeit würde gemessen werden und dadurch „eine präzise Messung des Abstandes von der Erde zum Mond ermöglichen.“

Bevor er sein Referat abgab, versah Faller es am oberen Rand mit einer handschriftlichen Notiz: „Professor Dicke, ergibt das für Sie einen Sinn?“

Weniger als ein Jahrzehnt später sollte die ganze Welt wissen, wie richtig Dr. Faller mit seiner These lag.

Moonwalk Quelle: NASA

Von der Idee über das Projekt zum Vorschlag

1963 schloss sich Dr. Faller der Forschungsinitiative JILA (Joint Institute for Laboratory Astrophysics) an, die von der University of Colorado und dem National Institute of Standards and Technology gefördert wurde. Faller erinnerte sich später: „Ich unterhielt mich mit meinen Kollegen Jan Hall und Peter Bender über meine Idee zu Durchführbarkeit und praktischem Nutzen eines Retro-Reflektors auf dem Mond.“

Faller versammelte weitere Wissenschaftler und Physiker um sich und gründete das LURE-Team (Lunar Ranging Experiment), mit dem er sein ursprüngliches Konzept weiterentwickeln wollte. Sein Team war jedoch nicht das einzige. Die damalige wissenschaftliche Community entwickelte konkurrierende Ideen für Experiment, allesamt mit der Hoffnung verbunden, für die historische Apollo-Mission ausgewählt zu werden.

Ein verkürzter Mondspaziergang

Die strengen Kriterien der NASA erwiesen sich für Dr. Faller und sein Team als ein echter Vorteil. Für die Luft- und Raumfahrtbehörde waren Größe, Gewicht, Geschwindigkeit und Einfachheit die wichtigsten Faktoren. Die Verantwortlichen der NASA waren der Ansicht, dass mit Apollo 11 ein hohes Abbruchrisiko verbunden sei, weshalb jedes Experiment binnen 10 Minuten aufgebaut und einsatzbereit sein musste. Dazu Faller: „Den Astronauten auf dem Mond stand nur begrenzte Zeit zur Verfügung, um den Laserstrahl zurück auf die Erde zu richten. Anders gesagt: Die Zeit war auf unserer Seite!“

Die NASA wünschte sich als Teil der wissenschaftlichen Nutzlast von Apollo ein passives und zuverlässiges Experiment, mit minimalem Arbeitsaufwand für die Astronauten – allesamt Anforderungen, die vom Lunar Laser Retro-Reflektor erfüllt wurden. Fallers Team reichte den Vorschlag 1965 ein. Zunächst wurde noch davon ausgegangen, das Experiment würde im Rahmen einer der unbemannten Surveyor-Missionen der NASA stattfinden. „Im Herbst 1968 gab es durchaus noch Zweifel, aber wir arbeiteten einfach weiter.“

Am 6. September 1968 erhielt das Team dann eine gute Nachricht. Die NASA hatte erkannt, dass man den Astronauten für die erste Mondlandung wohl zu schwere Lasten zugemutet habe, weshalb das zur Mitnahme geplante wissenschaftliche Gerät neu überdacht werden musste. „Wir entwickelten in kürzester Zeit ein Lunar-Laser-Retro-Reflektor-Paket als eine Art Plan B für Apollo 11“, so Faller.

NASA Quelle: NASA

Weshalb die Entfernungsmessung zunächst fehlschlug

In den Wochen vor dem Start arbeitete Dr. Faller am Lick-Observatorium, einer von der University of California etwas östlich von San Jose, Kalifornien, betriebenen Sternwarte. „Wir stellten uns darauf ein, mit der Laserentfernungsmessung zu beginnen, sobald uns die genaue Landeposition mitgeteilt würde. Diese Info ließ jedoch auf sich warten“, erklärt Faller.

Der 20. Juli und die darauffolgenden Tage waren für alle Wissenschaftler im Lick-Observatorium ausgesprochen frustrierend. Zwar empfanden Faller und die Ranging-Teams die Landung und das Aufstellen des Laserreflektors als ungemein spannend, aber der tatsächlichen wissenschaftlichen Tätigkeit stand jetzt ein lunares Hindernis im Weg: Der Mond stand zu tief am Himmel, sodass die Laser zur Entfernungsmessung einen größeren Teil der Erdatmosphäre durchdringen mussten.

Man entschied sich, das Equipment abzuschalten und jedes Detail nochmals sorgfältig zu überprüfen – es wurden keinerlei Probleme festgestellt. Schließlich wurde die Entfernungsmessung am 1. August wieder aufgenommen, als der Mond günstig stand. Unter diesen weitaus besseren Bedingungen wurde der Laser 162 Mal abgefeuert, bevor die ersten reflektierten Mondstrahlen erkannt wurden. Die abschließende Serie von 120 abgefeuerten Laserstrahlen lieferte – nach einigen Anpassungen –80 messbare Rückstrahlungen.

In kleinen Schritten zu einer Genauigkeit von wenigen Millimetern

Mit jedem übertragenen Laserpuls wurden die Daten präziser. Am 1. August hatten Faller und sein Ranging-Team mit einer Zeitgenauigkeit von 0,1 Mikrosekunden – das ist eine Zehnmillionstelsekunde! – die Entfernung zum Mond auf der Basis eines einzelnen abgefeuerten Lasers bis auf eine Genauigkeit von ±8 m bestimmt. Zwei Tage später konnten sie die Genauigkeit auf ±6 m verbessern.

Heute, fünfzig Jahre später, hat die Lebensdauer des Lunar-Laser-Retro-Reflektors die Planungsanforderungen der NASA, die eine Nutzbarkeit von zehn Jahren auf dem Mond vorsahen, weit übertroffen. Da sich inzwischen eine dünne Schicht Mondstaub auf den Quarzglasprismen abgesetzt hat, ist es über die Jahre hinweg wie erwartet zu einer gewissen Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit gekommen, die jedoch durch eine Steigerung der Laserleistung ausgeglichen werden konnte.

Mithilfe der vom Reflektor gelieferten Daten konnten wichtige Fragen zur Schwerkraft, zur Erde, zum Mond und zum Erde-Mond-System beantwortet werden. Faller ergänzt: „Wir haben bei der Entfernungsmessung zwischen Erde und Mond gewaltige Fortschritte gemacht. Anfangs lag die Messgenauigkeit bei Zentimetern; heute liegt sie im Millimeterbereich.“